von Ueli Mäder.

«Die Konkurrenz zwingt uns, ‹fürschi› zu machen», sagte mir ein Bankdirektor. Ausländische Unternehmen seien schon weiter digitalisiert. Deshalb gelte es, schleunigst die Beratung zu automatisieren, wie früher den Zahlungsverkehr. Statt Hunderte von «schrägen Vögeln» erledigen heute ein paar Apparate den Geldtransfer. Sie sparen Kosten und scheinen sogar lernfähig zu sein.

Eine Bank lud mich kürzlich zu einer Beratung ein. Eine Angestellte empfahl mir dies und jenes. Schon bald erteilt ein Roboter solche Auskünfte. Er beantwortet unsere Fragen, ohne sie wirklich zu verstehen. Er informiert uns anstelle der Frau, die dann eine neue bezahlte Tätigkeit suchen muss, wie viele andere auch. Banken rationalisieren derzeit Tausende von Arbeitsstellen weg. Sie privatisieren die Produktivitätsgewinne und finanzieren damit kein Grundeinkommen für die Entlassenen, die nun «von eintöniger Arbeit befreit» sind. Unklar ist, was mit ihnen passiert. Einzelne weichen auf den zweiten Arbeitsmarkt aus. Hier erbringen sie Zubringerdienste, die grössere Unternehmen kostengünstig nutzen.

Im Alltag begegnen uns immer mehr intelligente Apparate. Sie helfen uns, neue Sprachen zu lernen und spielen mit uns Schach. Sie ersetzen den Lokomotivführer, entschärfen Minen und lassen sich militärisch einsetzen. Gut programmiert, bewältigen sie vielfältige Aufgaben. Ohne einfühlend zu sein, beraten sie sogar psychisch Erkrankte. Und sie ähneln immer mehr jenen, deren Hirnfunktionen sie kopieren. Somit fragt sich, ob die Künstliche Intelligenz mehr Fluch oder Segen ist und wer darüber entscheidet, wohin die Reise geht.
Wichtig sind demokratische Prozesse und Transparenz. Ebenfalls bezüglich der Finanzierung und Erlöse. Was Roboter mit uns machen, hängt wesentlich davon ab, wer sie wie weiter entwickelt. Mehr oder weniger fasziniert, gewöhnen wir uns wohl bald an ihre Dienste. Wenn Roboter sogar Gefühle simulieren, mag das befremdlich wirken, aber vielleicht das Bedürfnis nach eingehender Kommunikation weiter verstärken.

In der industriellen Moderne prägte ein dualistisches Denken das Verhalten. Enge verhaltenswissenschaftliche Konzepte empfahlen, mit Reizen erwünschte Reaktionen auszulösen. Mehr Erfolg brachten Denkmodelle, die bewusste Entscheide ermöglichen.
Weitere Horizonte öffneten sich mit einer Motivation, die an vorhandene Kompetenzen und Ressourcen anknüpft. Sie korrespondiert mit einer Moderne, in der Menschen mit unterschiedlichen Interessen über unsere Zukunft nachdenken und sie hoffentlich mehr selbst gestalten. Demgegenüber stehen finanzgetriebene Akteure. Sie wollen privates Kapital maximal verwerten und überlagern emanzipatorische Prozesse.

Neue verhaltensgesteuerte Input-Output-Modelle verbreiten sich: Sie zielen (auch an Hochschulen) auf eine funktionell-mechanische Nützlichkeit ab, die menschliche Neugierde unterläuft und zweckrationale, möglichst effiziente Kontakte bevorzugt.
Die erstrebte Coolness erweist sich dabei oft als allzu cool. Viele Leute wollen deshalb wieder mehr lebendige Beziehungen und Banken mit Beraterinnen. Selektiv eingesetzte und demokratisch kontrollierte Roboter können sie dabei unterstützen und ihnen mehr freie Zeit ermöglichen. Selbstverständlich auf bezahlter Basis, dank besser verteilten (Produktivitäts-)Gewinnen. Damit die Künstliche Intelligenz allen zugutekommt und wir uns mehr fragen, was wesentlich ist im Leben.

 

Ueli Mäder ist emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Basel und Autor des Buches «macht.ch – Geld und Macht in der Schweiz» (Zürich 2015).